Verabschiedung (Rede v. Schulrätin Geißler)

Rede zur Verabschiedung des Rektors Wittmann an der GHS-Breklum am 31.01.2003

Geißler

Verehrter Herr Wittmann, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren,

Vorlesen ist in Zeiten nach PISA sehr angesagt, deshalb ein Auszug aus einem Ratgeber für junge Schulleiter, in der die ,,Schule von damals“ beschrieben wird.

Schulrätin Margrit Geißler

,,Im Amtszimmer schrillte kein Telefon, klapperte keine Schreibmaschine. Man ‘hektographierte‘ die wenigen Rundschreiben. Die behördlichen Verfügungen waren eindeutig, Erörterungen und Durchführungsbestimmungen überflüssig. Die Inventarisierung der notwendigsten Lehrmittel fiir den Klassengebrauch beanspruchte wenig Zeit; Arbeitsmittel für die Hand des Schülers kannte die alte Lernschule nicht; die Schulbücher kauften fast ausnahmslos die Eltern. Es gab keine psychologischen Beobachtungsbögen, keine Karteikarten, Schulgesundheitsscheine, Karten zur Schulzahnpflege, auch keine Meldebögen für Diebstähle und Unfälle. Zudem stellten die Eltern an die Schule keine rechtlichen Ansprüche; auch erhoben sie keine Einwände gegen ihre Entscheidungen; sie wählten keine Vertreter und Beiräte, sie bekundeten kein Verlangen nach einer Schulzeitung oder einem Schulverein; sie respektierten die Schule, mieden sie aber nach Möglichkeit. Das Schülerhauptbuch verzeichnete neben den regelmäßigen Vorgängen der Aufnahme und Entlassung keine allzu häufigen Eintragungen über einen Schülerwechsel; der ,Neue‘ in der Klasse war eine seltene, einprägsame Erscheinung. Einfach gestaltete sich auch der Entlassungsvorgang. Ärztliche Untersuchungen und Berufsberatungen gingen nicht voraus; die Berufswahl richtete sich mehr nach dem Willen des Vaters als nach dem Wunsch des Sohnes. Die Raumfrage erschwerte kaum die Aufstellung eines Stundenplanes; fast konstant blieb die Gesamtschülerzahl, die Klasseneinteilung und die Zahl der Lehrkräfte.
Gar oft konnte der Plan unverändert fiir das neue Schuljahr übernommen werden.
Ein Vertretungsplan war selten notwendig. Die Lehrer besaßen im Vergleich zu ihren
heutigen Nachfahren offenbar eine geradezu eiserne Gesundheit. Die Schule war nicht belastet mit methodischen und stofflichen Problemen. Von oben wurde angeordnet und befohlen, so dass sich die Initiative der Einzelschule und des einzelnen Lehrers kaum auswirken konnte. Die ministeriellen Erlasse hatten dafür eine lange Geltungsdauer.
Die Stoffpläne verteilten den Unterrichtsstoff exakt auf Monate oder gar auf die 40 Schulwochen. Die jungen Lehrer bereiteten sich ohne Zutun des Rektors oder eines sonstigen Mentors auf die 2. Prüfung vor. Das Amtszimmer des Schulleiters war ein Ort der Ruhe. Strenge und Stetigkeit waren Kennzeichen des frontal eingestellten Unterrichts. Disziplinschwierigkeiten traten selten auf und von ihren Weiterungen, wie Rücksprachen mit Eltern und Fürsorgern, Berichten und Beurteilungen, Verhandlungen und Vernehmungen, geschweige denn gerichtlichen Klagen, blieb die Schule so gut wie verschont. Überhaupt blieben dem Lehrer DIE Vorgänge erspart, die sich in Schreibarbeit niederschlagen. “
Lit.: Kurt Diedrich ,,Leitung und Verwaltung einer Schule“, 2. Aufl. 1961

Wir alle, sicher auch Sie, lieber Herr Wittmann, stöhnen oft über das, was heute auf Schule
– und insbesondere auch auf Schulleiter – alles hereinbricht. Aber ich behaupte einmal:
So eine Schule, wie ich sie eben vorgestellt habe, wäre weder die meine noch die Ihre
gewesen.
Aber wahrscheinlich kennen Sie einige der genannten Züge noch aus der Zeit, als Sie –
nachdem es Ihre Familie in der Kriegszeit von Thüringen nach Nordfriesland verschlagen
hatte, – 1950 in Husum eingeschult wurden – oder aus der Zeit, als Sie ab 1954 auf die
Hermann-Tast-Schule wechselten (damals selbstverständlich noch ein Gymnasium nur für Jungen, das man nur nach einer Aufnahmeprüfung besuchen durfte).
Aber dies obrigkeitsstaatlich geprägte Bild war ganz bestimmt nicht mehr das Bild von
Schule, das Sie mitbrachten, als Sie im Frühjahr 1970 ihr Examen an der damaligen Pädagogischen Hochschule in Flensburg ablegten.
Hier zwischendurch einmal eine ganz persönliche Anmerkung:
Als ich 1996 als Schulrätin nach NF kam, kannte ich meines Wissens nur drei Personen im
Kreis. Erst jetzt – beim Lesen Ihrer Akte im Schulamt – entdeckte ich, dass es noch eine 4.
Person gegeben hat, nämlich Sie: Wir müssen uns in dem überschaubaren System der PH mit damals insgesamt nur 365 Studentinnen und Studenten in allen Fachbereichen zusammen über den Weg gelaufen sein, zumal wir dort exakt am selben Tag unser 1. Staatsexamen für das Lehramt an Volksschulen abgelegt haben.
Allerdings liefen unsere Wege dann auseinander; denn – am selben Tag wie ich, am 10. März 1970, – hatten Sie Ihren ersten Arbeitstag auf Nordstrand.
Dass Schule und auch Lehrkräfte, so wie ich sie vorhin vorgelesen habe, so nicht mehr waren – jedenfalls nicht mehr alle, zeigt ein Fragebogen, den Sie gern an alle Junglehrer/innen verteilt hätten. Sie müssen – ich vermag es kaum zu glauben – damals ziemlich ,,aufmüpfig“ gewesen sein, als Sie diese – wie wir heute sagen würden – Evaluation durchführen wollten.
Sie wollten nämlich wissen, wie zufrieden die Kollegen/innen mit ihren Seminaren waren. Es finden sich darin Fragen wie : ,,Halten Sie die äußere Organisation der Seminare für gut
(Einladung, Protokollführung, Referatsverteilung, Stundenverteilung)“ ODER,,: Worin sehen Sie die Ursache für Ihre Einschätzung? (z. B: in der Arbeit des Seminarleiters)“. Da wunderte es wohl kaum, dass die Schulaufsicht es ablehnte, diesen Fragebogen über die
Dienststellen zu verteilen.
Auf jeden Fall war es dann nur konsequent, dass Sie selber, Herr Wittmann, die Aufgaben als Studienleiter übernommen haben – und damit versuchten, eigene Vorstellungen von der Ausbildung junger Lehrkräfte einzubringen und umzusetzen.
Weitere Spuren Ihrer pädagogischen und fachlichen Arbeit zeigten sich auch in der Mitarbeit an einem Physiklehrbuch und vor allem als langjähriger Prüfer bei den externen Hauptschulabschlussprüfungen.
Überhaupt war ihr berufliches Spektrum weit gefächert: Sie wirkten als Lehrer für
Generationen von Grund-, Real- und vor allem Hauptschülerinnen und -schülern, als Mentor, Studienleiter, Personalrat, als Vertreter der Hauptschulen im Fachausschuss Physik beim IPTS, als Mitglied in Prüfungsausschüssen für 1. Staatsprüfungen, als verantwortlicher Leiter bei 2. Staatsprüfungen und – vor allem und am längsten – als Schulleiter.
Auf Grund dieser Aufzählung dürfte es niemanden wundern, wenn einer meiner Schulratsvorgänger über Herrn Wittmann schreibt: ,,Er ist ein sehr fleißiger, umsichtiger und erfolgreich wirkender Pädagoge. In den vielen Bereichen seiner bisherigen lobenswerten Lehr- und Ausbildungstätigkeit hat er Geschick und Können bewiesen.“

Lieber Herr Wittmann, ich danke lhnen, dass ich heute bei dieser Feier dabei sein darf.
Als ich Ihre Einladung las, stolperte ich über die Formulierung: ,,nach (fast) 25 Jahren“ endet ihre Zeit als Schulleiter an der GHS Breklum. Ich weiß: Als Naturwissenschaftler nehmen Sie es mit Maßeinheiten sehr genau. Aber das ,,fast“ – die paar Monate – dürften eigentlich keine Rolle spielen; denn 25 Jahre Schulleiter sein, d. h. die Zeit von 1978 bis 2003 aus einer Führungsposition zu überblicken; d. h. Zeuge und Mitgestalter sein von Schule, die in dieser Zeitspanne riesige Veränderungsschritte gemacht hat, auch wellenförmige Pendelausschläge hin und her durchgestanden hat. –
Mit der Ihnen eigenen Sachlichkeit, Ruhe und Beharrlichkeit haben Sie 24-einhalb Jahre lang Schülern, Schülerinnen und deren Eltern, Kollegen und Kolleginnen sowie die häufiger wechselnden Schulaufsichtsbeamten in Husum begleitet. In welchen Dimensionen sich die Veränderungen bewegen, zeigt z. B., dass Sie als Schulleiter zu Management-Fortbildungskursen fuhren oder als Schulleiter bereit waren, als Netzwerkadministrator zu fungieren.
Zeit bedeutet Wandel. Und Wandel kann nur bemerkt werden, wenn es Konstantes gibt:
Konstanz in der Person Hans-Dieter Wittmanns.
Schulleiter Wittmann als Maß der Zeit- ist das eine Bilanz für ein Schulleiter-Leben?
Irgendwie wohl doch nicht, ..,
denn am Ende Ihrer Tätigkeit kann ich Ihnen nicht einmal eine Urkunde aushändigen; die gibt es nämlich erst, wenn Sie auch tatsächlich – und d. h. verwaltungstechnisch – in den
Ruhestand gehen; z. Z. gehen Sie erst in die Altersteilzeit. (Und man weiß ja nie, was Sie als Beamter bis dahin noch anstellen, … ob ihnen das Land dann noch für Ihre langjährige, treu geleistete Arbeit danken kann!)
Trotzdem danke ich Ihnen heute ganz persönlich für die vertrauensvolle Zusammenarbeit in der relativ kurzen Zeit, in der ich für die Grund- und Hauptschule Breklum – und damit auch für Sie – zuständig war. Ich habe Sie, lieber Kollege Wittmann, erlebt als jemanden, der mit Gelassenheit, statt mit Aufgeregtheit, auf Konflikte und schwieriger werdende Rahmenbedingungen reagiert und sie mit viel beruflicher, vor allem aber menschlicher Erfahrung angenommen und gelöst haben, so dass das Schulamt selten als ,,Notnagel“ herhalten musste.
Ich verabschiede Sie ungern und hätte gerne noch weiter mit Ihnen zusammen gearbeitet,
gönne Ihnen die Zeit der Orientierung für einen neuen Lebensabschnitt aber von Herzen.
Vielen Dank, alle guten Wünsche und tschüß!
Wenn schon keine Urkunde, dann wenigstens anderes buntes Papier:
Mein Abschiedsgruß: Ein Probeexemplar der Zeitschrift ,,Lenz” – die Zeitschrift für die
“jungen Alten”, für Junggebliebene, für Menschen, die etwa zu erzählen haben – also für Sie; nehmen Sie sie für den Fall, dass Ihnen ab morgen nichts Besseres einfällt, als in Illustrierten zu schmökern!

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